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Die sächsische Gedenkstättenstiftung und ihre Orte

Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft erschließt und bewahrt historische Orte politischer Verbrechen und politischen Unrechts.

Sie betreibt und fördert Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Sachsen. Sie unterstützt alle Akteurinnen und Akteure, die sich diesen Zielen verbunden fühlen – auch euch und eure Geschichtsprojekte.

In Ausstellungen, Publikationen, Filmen, digitalen Rundgängen und Podcasts, auf Websites und vielen anderen Vermittlungsformaten findet ihr Informationen zur Geschichte der Orte und den damit verbundenen historischen Hintergründen. Ihr könnt dort die Schicksale von verfolgten Menschen nachlesen oder die Lebensläufe von Täterinnen und Tätern aus den Diktaturen der deutschen Geschichte erforschen.

In Führungen, Projekttagen, Workshops und Veranstaltungen werden euch die Strukturen und Methoden der Verfolgungssysteme erläutert und der von den Menschen gegen die Diktaturen geleistete Widerstand gewürdigt.

Gedenkstätten, Vereine und andere Einrichtungen, die in der erinnerungskulturellen Landschaft Sachsens aktiv sind, können wertvolle Unterstützer*innen für euch und eure Geschichtsprojekte sein. Sie haben oft umfangreiche Sammlungen, wertvolle Archive, Spezialbibliotheken und Datenbanken, die euch Quellen für eure Forschungen bieten können und eure Geschichtsprojekte mit Informationen, Ausstellungsstücken, Bildern oder Betroffenenberichten bereichern können.

Sie vermitteln euch auch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen für Gespräche und Interviews. Für Jugendliche ist die Nutzung aller Angebote in den Gedenkstätten kostenfrei.

Die sächsische Gedenkstättenstiftung betreibt sechs eigene Gedenkstätten und zwei weitere Arbeitsstellen. Zudem fördert sie viele weitere Gedenkstätten und erinnerungskulturelle Einrichtungen in ganz Sachsen. Die Menschen, die dort engagiert sind, können euch viele Ratschläge und Hinweise geben.

Braucht ihr Hilfe, alte Briefe oder Dokumente zu lesen? Sucht ihr die richtigen Bücher oder Online-Datenbanken? Wollt ihr ganz genau wissen, wie man Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen führt? Wie schreibt man gute Ausstellungstexte? Wie war das nochmal mit den Nutzungsrechten? Wollt ihr ein Interview mit einer Expertin oder einem Experten führen? Die Menschen dort sind auf historische Forschung sowie die Erstellung von Ausstellungen und anderen Präsentationsformen spezialisiert.

Ihre Hinweise und Methoden können auch Geschichtsprojekten mit ganz anderen Inhalten weiterhelfen. Meldet euch einfach bei ihnen, auch wenn euer Thema vielleicht nicht direkt etwas mit einer Gedenkstätte zu tun hat. Selbst wenn die Leute in den Gedenkstätten nicht unmittelbar helfen können, kennen sie Personen in anderen Archiven, Museen oder Einrichtungen, die möglicherweise genau die Informationen haben, die ihr für euer Geschichtsprojekt benötigt. Es gibt viele Experten und Expertinnen da draußen, die bereit sind, euch zu unterstützen.

Für die Gedenkstätten ist Erinnerungskultur keine Einbahnstraße: Sie nehmen auch euch als Expertinnen und Experten ernst, schätzen eure Sicht auf ihre Arbeit und freuen sich auf euer Engagement in dem Bereich. Habt ihr Ideen, wie man Gedenkveranstaltungen oder Ausstellungen für Jugendliche attraktiver gestalten könnte? Findet ihr manche Texte zu lang oder schwer verständlich? Habt ihr in eurer Gegend einen historischen Ort entdeckt, der eine Hinweistafel benötigen könnte? Vermisst ihr bestimmte Themen?

Meldet euch bei der Gedenkstättenstiftung! Sie nimmt eure Hinweise ernst und möchte ihre Arbeit weiterentwickeln. Ihr könnt viele Gedenkstätten auch ganz direkt in einem Schulpraktikum, im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder eines Sommer-Workcamps unterstützen.

Erinnerungsort Torgau. Justizunrecht – Diktatur – Widerstand

Im Zweiten Weltkrieg waren Deserteure, Kriegsgegner und Widerstandsangehörige aus ganz Europa in den Torgauer Militärgefängnissen „Fort Zinna“ und „Brückenkopf“ inhaftiert. Torgau war mit dem Reichskriegsgericht das Zentrum der nationalsozialistischen Militärjustiz. Nach 1945 richtete der sowjetische Geheimdienst zwei Speziallager ein, in denen tausende Menschen eingesperrt waren. Viele unter ihnen wurden politisch verfolgt. In der DDR befanden sich Erwachsene und Jugendliche auch aus politischen Gründen in Torgau in Haft.

Die Dauerausstellung „Mut und Ohnmacht“ macht euch die Rolle der Militärjustiz als Herrschaftsinstrument der Nationalsozialisten deutlich. Zahlreiche Biografien zeigen den Widerstand gegen Krieg und Diktatur. Das während der sowjetischen Besatzungszeit und der SEDDiktatur verübte Unrecht in den Torgauer Gefängnissen und Lagern wird ebenfalls mit Bildern, Exponaten und Medienstationen dokumentiert.

Gedenkstätte Bautzen

Die Gedenkstätte befindet sich in der ehemaligen Stasi-Sonderhaftanstalt Bautzen II. Dort waren während der SED-Diktatur in der DDR tausende Menschen aus politischen Gründen eingesperrt. Mehr als 3.100 Gefangene starben zwischen 1945 und 1956 im Gefängnis Bautzen I, dem so genannten „Gelben Elend“. An sie erinnert die Gedenkstätte ebenfalls.

Neben den Dauerausstellungen zur Geschichte der Bautzener Gefängnisse während der nationalsozialistischen Diktatur, der sowjetischen Besatzungszeit und der SED-Diktatur könnt ihr dort unter anderem historische Haft- und Arrestzellen, Überwachungsanlagen und Freihöfe anschauen. Viele im ehemaligen Gefängnisbau von der Gedenkstätte angebrachte Biografietafeln erläutern euch die individuellen Auswirkungen politischer Verfolgung und Haft und deren historischen Hintergründe.

Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain

Die Gedenkstätte erinnert an die Opfer des Kriegsgefangenenlagers der Wehrmacht in Zeithain bei Riesa. Es war vor dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf die Sowjetunion im April 1941 eingerichtet worden. Ab Oktober 1943 kamen auch italienische, serbische, britische, französische und polnische Gefangene in das Lager. Insgesamt starben 25.000 bis 30.000 sowjetische und mehr als 900 Kriegsgefangene aus anderen Ländern in Zeithain aufgrund von mangelhafter Ernährung und katastrophaler hygienischer Bedingungen.

Die Dauerausstellung zur Geschichte des Kriegsgefangenenlagers Zeithain könnt ihr im Dokumentenhaus der Gedenkstätte und in einer ehemaligen Lagerbaracke anschauen. In der Baracke wird in einer „Gläsernen Vitrine“ auf das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen eingegangen. Außerdem seht ihr in der Lagerbaracke wieder sichtbar gemachte historische Inschriften von Kriegsgefangenen.

Gedenkstätte Großschweidnitz

Die Gedenkstätte erinnert an die Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde in der Landesanstalt Großschweidnitz. Dort wurden über 5.500 Frauen, Männer und Kinder durch überdosierte Beruhigungsmittel, Unterernährung und mangelnde Pflege ermordet. Mehr als 2.000 Menschen kamen von Großschweidnitz aus in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein und wurden dort ermordet. Die Gedenkstätte befindet sich auf dem Gemeindefriedhof. Dort erinnern ein Gedenkstein sowie Namenstafeln an die in Großschweidnitz ermordeten Menschen.

Die Dauerausstellung informiert euch über die in Großschweidnitz begangenen Verbrechen. Es werden die Vorgeschichte der nationalsozialistischen Krankenmorde, ihre Umsetzung und die Nachwirkungen dargestellt. Anhand von Biografien und eines Gedenkbuches mit den Namen aller in Großschweidnitz ermordeten Menschen könnt ihr die individuellen Lebenswege der Opfer nachverfolgen.

Gedenkstätte Münchner Platz Dresden

Die Gedenkstätte erinnert an die Opfer politischer Justiz während der nationalsozialistischen Diktatur, der sowjetischen Besatzungszeit und der frühen DDR. Der Gebäudekomplex wurde als Gerichtsort, Haftanstalt und Hinrichtungsstätte genutzt. Die Nationalsozialisten ließen hier über 1.300 Menschen hinrichten. Zu den Opfern gehörten Menschen, die sich dem Nationalsozialismus aktiv widersetzten, darunter Angehörige tschechischer und polnischer Widerstandsgruppen. Bis Ende 1956 ließ auch die DDR-Justiz dort Todesurteile vollstrecken.

In der Dauerausstellung lernt ihr anhand zahlreicher Fotos, Zeichnungen, Exponate, Dokumente und Medienstationen die Geschichte des Ortes und der hier verurteilten, eingesperrten und hingerichteten Menschen kennen. Außerdem könnt ihr den ehemaligen Richthof, auf dem sich ein Gedenkbereich befindet, anschauen. Mit Hilfe eines Orientierungssystems erfahrt ihr auf dem weiteren Gelände und in den umliegenden Gebäuden mehr über die Geschichte des ehemaligen Justizkomplexes.

Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein

Die Gedenkstätte erinnert an die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“- Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein in den Jahren 1940/41. Dort wurden 13.720 Menschen mit psychischen Krankheiten oder geistigen Behinderungen sowie mindestens 1.031 Häftlinge aus Konzentrationslagern in einer Gaskammer systematisch ermordet. Die Gedenkstätte zeigt am historischen Ort die Spuren der Verbrechen.

In der Dauerausstellung erfahrt ihr alles über die Ideologie der „Rassenhygiene“ der Nationalsozialisten. Dort werden auch die Hintergründe und Strukturen der nationalsozialistischen „Euthanasie“- Morde erläutert. In einem Gedenkraum im Keller des Hauses könnt ihr ausgewählte Schicksale von Sonnensteiner Mordopfern nachlesen.

Dokumentationsstelle Dresden

Die Dokumentationsstelle befindet sich zwar nicht an einem historischen Ort wie eine Gedenkstätte, dennoch spielt sie eine wichtige Rolle bei der Erinnerungsarbeit. Sie trägt dazu bei, die Verfolgungsgeschichte und den Verbleib von Menschen zu klären und aufzuarbeiten, die während der nationalsozialistischen Diktatur oder der sowjetischen Besatzungszeit und in der DDR aus politischen Gründen ihrer Freiheit oder ihres Lebens beraubt wurden.

Die Dokumentationsstelle erteilt Auskünfte an Angehörige, öffentliche Stellen, Journalistinnen und Journalisten, Gedenkstätten, Historikerinnen und Historiker, Heimatforschende und Aufarbeitungsinitiativen – und auch an euch, wenn ihr eine Anfrage stellt. Als wissenschaftliche Einrichtung erschließt sie historische Unterlagen und vermittelt die Ergebnisse in die Öffentlichkeit. Ihr könnt beispielsweise auf der umfangreichen Website auf mehrere Datenbanken und die Biografien von Verfolgten zugreifen.

Geschäftsstelle

Die Geschäftsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten organisiert die Verwaltung der stiftungseigenen Gedenkstätten, führt umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit durch und erstellt Publikationen. Weitere Hauptaufgaben sind die Förderung, Beratung und Vernetzung von Initiativen und Geschichtsgruppen, die im Sinne des Stiftungsauftrages an die Vergangenheit erinnern wollen. Für viele Menschen ist die Geschäftsstelle die erste Anlaufstelle, wenn sie eine Gedenkstätte besuchen möchten, Informationen über eine einst verfolgte Person benötigen oder Tipps für Recherchemöglichkeiten suchen. Von dort aus werden die Anfragen in die entsprechenden Gedenkstätten weitergeleitet, Kontakte zu Akteurinnen und Akteuren in der Erinnerungskultur vermittelt oder weitere Unterstützungsvarianten besprochen. Die Geschäftsstelle fördert erinnerungskulturelle Projekte auch finanziell. Benötigt ihr noch Geld für eine Ausstellung oder eine Broschüre? Plant ihr eine Veranstaltung im Themenfeld der Gedenkstättenstiftung? Fragt nach, vielleicht kann euer Vorhaben finanziell gefördert werden.

Die Geschäftsstelle bietet auch fachliche Beratung für Jugendgeschichtsprojekte und ist Mitglied in der Jury des Programms „Spurensuche“ der Sächsischen Jugendstiftung. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit haben schon viele junge Menschen aus Jugendgeschichtsgruppen an von der Geschäftsstelle durchgeführten Workshops zur Erinnerungskultur und zu historischen Forschungsmethoden teilgenommen.